Vor Justiz versteckt: Holländischer Rocker-Chef in Gerlos verhaftet

Gerlos – Der Polizeieinsatz blieb fast unbemerkt, dennoch sorgte die Festnahme eines Holländers in Gerlos für großes Aufsehen in dessen Heimat. Der Grund: Bei Michel B. (52) handelt es sich um den Mitbegründer der berüchtigten Rocker-Vereinigung Satudarah, der monatelang von der holländischen Justiz gesucht wurde. Bis am Freitag ein entscheidender Tipp aus Gerlos die Flucht beendete. Doch jetzt ist der Rocker-Boss wieder auf freiem Fuß – „er musste allerdings eine Kaution hinterlegen“, bestätigt Hansjörg Mayr, Sprecher der Innsbrucker Staatsanwaltschaft. Dem Vernehmen nach war der Geldbetrag durchaus beträchtlich.

Michel B. gilt in Holland als große Nummer. Der 52-Jährige soll zusammen mit drei Freunden den MC (Motorradclub) Satudarah gegründet haben. Der Auftakt für eine Erfolgsgeschichte – die Rocker-Gang wuchs schnell – andere Klubs schlossen sich Satudarah an. In den späten Nuller-Jahren ist Holland für die – laut Behörden kriminelle – Vereinigung zu eng geworden: Zunächst im belgischen Antwerpen und 2012 auch im deutschen Duisburg wurden neue Chapters (Filialen) gegründet. Konflikte mit den Hells Angels sorgten fortan immer wieder für Schlagzeilen und Gerichtsverfahren. Aber auch das Geschäftsmodell von Satudarah – Prostitution und Drogenhandel zählen angeblich zum Kernbereich. 2015 wurde die Vereinigung in Deutschland verboten. Im vergangenen Herbst wurde für die etwa 800 Mitglieder auch die Luft in Holland dünner. Ende September schlugen die Behörden zu, durchsuchten 22 Häuser, Firmengebäude und Garagen und zerschlugen die Führung der Organisation. Drei Gründungsmitglieder wurden festgenommen, das vierte – Michel B. – konnte flüchten. Wohin, war monatelang unklar. Der 52-Jährige ließ verlauten, dass er keineswegs die Absicht habe, sich zu stellen. Auch als die holländische Justiz einen Europäischen Haftbefehl gegen den Chef-Rocker ausstellte, blieb er im Untergrund.

Bis das „U-Boot“ am Freitag wieder auftauchte. Und zwar in Gerlos, im Hotel des Nationalratsabgeordneten Franz Hörl (VP): „Er war mit seiner Familie seit etwa zehn Tagen da und hat bei uns für drei Wochen ein Appartement gebucht.“ Ein unauffälliger und keineswegs unguter Gast, erzählt der Hotelier: „Für uns war er ein unbeschriebenes Blatt. Er hat unter einem falschen Namen gebucht.“ Geld schien keine große Rolle zu spielen – Michel B. zahlte meist bar. „Er blieb nichts schuldig“, so der VP-Politiker weiter.

Dass sich der Rocker-Boss ausgerechnet in Gerlos versteckte, wundert den Politiker allerdings: „Das war nur mäßig intelligent, da viele Holländer bei uns Urlaub machen.“ Zumal das Konterfei des 52-Jährigen in seiner Heimat sehr bekannt ist. Nach der Flucht im September war der Steckbrief von B. auf mehreren holländischen TV-Sendern zu sehen.

Und so kam es auch, dass am Freitag zunächst bei der Polizei in Holland ein Hinweis über den Verbleib des 52-Jährigen einging. Von wem der Tipp kam, ist unklar. Hörl glaubt, dass ein holländischer Urlauber seinen Landsmann erkannt hat. Es gibt aber auch Meldungen, dass ein Zielfahnder der niederländischen Polizei den gesuchten Rocker-Boss in Gerlos aufspüren konnte.

Wie dem auch sei, fest steht, dass die „holländischen Kollegen dann uns verständigt haben“, schildert Manfred Dummer, Pressesprecher der Tiroler Polizei. Der Auftakt für die unspektakuläre Festnahme: Beamte der Polizeiinspektion Zell machten sich auf den Weg nach Gerlos und warteten im Appartement des Verdächtigen, bis er eintraf: „Er ließ sich widerstandslos festnehmen“, sagt Dummer. „Die Hotelgäste haben nichts bemerkt“, ergänzt Hörl.

Die Polizisten brachten B. im Auftrag der Innsbrucker Staatsanwaltschaft in die Justizanstalt. Die Auslieferungshaft wurde „wegen Fluchtgefahr verhängt“, erklärt Staatsanwalt Mayr: „Allerdings ist in derartigen Fällen eine Kaution anzubieten.“ Und dieses Angebot hat Michel B. angenommen. Der Betrag, den er für seine vorübergehende Freiheit zahlen musste, ist fünfstellig. Wobei diese Freiheit nicht grenzenlos ist – der Beschuldigte muss bis zum Abschluss des Auslieferungsverfahrens in Österreich bleiben.

Quelle: Link auf tt.com

Text: tt.com